Preisträger 2021: Dr. Jan Gerrit Horstmann
Ultrafast Probing and Coherent Vibrational Control of a Surface Structural Phase Transition
Gerrit Horstmann hat mit Hilfe einer neuen Form von „ultraschneller, niederenergetischer Elektronenbeugung“ (ULEED) die optische Anregung und Kontrolle struktureller Phasenübergänge an Oberflächen untersucht. Bei solchen „Phasenübergängen“ ändert sich die Kristallstruktur in den obersten Atomlagen eines Festkörpers, was zu veränderten Materialeigenschaften, z.B. einem niedrigeren elektrischen Widerstand, führt. In seiner Doktorarbeit beschäftigte sich Gerrit Horstmann speziell mit der Frage, wie solche Prozesse mit Licht gezielt gesteuert werden können.
Hierfür bedampfte er einen Silizium-Kristall mit einer hauchdünnen Lage Indium und kühlte den Kristall anschließend auf -220 Grad Celsius ab. Während die Indium-Atome bei Raumtemperatur metallisch leitende Ketten auf der Oberfläche bilden, ordnen sie sich bei solch niedrigen Temperaturen spontan zu elektrisch isolierenden Sechsecken um. Dieser Prozess markiert einen Übergang zwischen zwei Phasen – der metallischen und der isolierenden – und kann mit Licht geschaltet werden.
In einem ersten Schritt verwendete Gerrit Horstmann das in Göttingen entwickelte ULEED-Experiment, um die Bewegungen der Atome während dieses Vorgangs zu filmen. Hierbei wird die Probenoberfläche zunächst durch einen Lichtblitz (Laserpuls) mit einer Dauer von nur 100 Femtosekunden (das sind 100 Millionstel einer Milliardstel Sekunde) angeregt und direkt danach mit einem ähnlich kurzen Elektronenblitz beschossen. Durch eine Analyse des entstehenden Streumusters der Elektronen kann auf die momentane Anordnung der Atome geschlossen werden. Auf diese Weise konnte Gerrit Horstmann bestätigen, dass die Oberfläche mit Hilfe eines Laserpulses extrem schnell vom isolierenden in den metallischen Zustand überführt werden kann, ohne dabei die Temperatur erhöhen zu müssen.
Im zweiten Teil seiner Arbeit untersuchte er die Anregung der Indium-Lage mit mehreren, aufeinanderfolgenden Laserpulsen. Dabei zeigte sich, dass der Rhythmus der Pulse einen großen Einfluss darauf hat, wie effizient die Oberfläche in den metallischen Zustand geschaltet werden kann. Erklärt wird dies dadurch, dass ein erster Laserpuls die Indium-Atome zum Schwingen bringt, während ein zweiter Puls zur richtigen Zeit diese „Schaukelbewegung“ weiter verstärkt und so den Übergang in die neue Phase ermöglicht. Dieser Mechanismus wird auch als „kohärente Kontrolle“ bezeichnet und konnte von Gerrit Horstmann nun zum ersten Mal auf einen strukturellen Phasenübergang angewendet werden. Das gezielte Steuern der Bewegungen von Atomen in Festkörpern mit Hilfe von Laserpuls-Sequenzen könnte es in Zukunft ermöglichen, bisher unzugängliche Strukturen mit vollkommen neuen physikalischen und chemischen Eigenschaften zu erreichen.
Betreut wurde die Dissertation am IV. Physikalischen Institut der Georg-August-Universität Göttingen von Prof. Dr. Claus Ropers, mittlerweile Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Die Arbeit erfolgte im Rahmen des vom European Research Council geförderten Projektes „ULEED“ (ERC Starting Grant „ULEED“, ID: 639119) sowie des DFG-Sonderforschungsbereichs SFB 1073 „Atomic-scale control of energy conversion“.