Gastvortrag von Dr. Jens Wilkens (Berlin)
Der Türkmenbaşy (1940-2006) und das Ruhnama Politische Ideologie im Unabhängigen Turkmenistan
Nach dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 haben die zentralasiatischen Staaten ähnliche Entwicklungen durchlaufen. Das entstandene Machtvakuum und die ideologischen Leerstellen wurden auf spezifische Weise gefüllt, indem nationale Ideologien entwickelt wurden, welche insbesondere durch Geschichte und Archäologie als Leitwissenschaften geformt wurden. Ein besonders prägnantes Beispiel ist Turkmenistan, wo man nach der Entlassung in die Unabhängigkeit einen Personenkult um den Präsidenten Saparmyrat Niyazow (seit 1993 Türkmenbaşy genannt) entwickelte, der mit der Zeit immer bizarrere Züge annahm. Im Jahr 2001 wurde der erste Band des Ruhnama publiziert, das angeblich vom Präsidenten selbst verfasst worden sein soll. Es liegt heute in zahlreichen Sprachen in Übersetzung vor. Durch diese Schrift, die an Schulen und Universitäten zur Pflichtlektüre gehörte und zeitweise das einzige landesweit erhältliche Buch war, sollte eine neue Form des nationalen Bewusstseins gefördert werden. Das Ruhnama greift auf unterschiedliche Quellen zurück und kombiniert sie mit ganz modernen Themen. Der Kult um das Buch flankiert den Personenkult um den Präsidenten, der von manchen Forschern sogar als Neue Religion beschrieben wird. Der Vortrag soll zeigen, welchen Beitrag die Turkologie bei der Analyse des Werkes leisten kann, indem z. B. die Quellen, aus denen das Ruhnama schöpft, nachgewiesen werden.
Mittwoch, 8. Dezember 2010, 18.15 Uhr,
Seminar für Turkologie und Zentralasienkunde,
Waldweg 26, 7. Stock, Raum N 716