Sonnabend, 13. Dezember 2008: Feuchte Granulate: Physik von der Sandburg bis zum Erdrutsch
Prof. Dr. Stephan Herminghaus
Ob im Müsli, im Kuchenteig oder beim Bau einer Sandburg: Mischungen aus einem Granulat und einer Flüssigkeitbegegnen uns nicht nur oft im täglichen Leben, sie spielen auch in verfahrenstechnischen Prozessen eine enorme Rolle, denn etwa 60 Prozent der industriellen Rohstoffe werden in fester, also granularer Form verwendet. Dass hierbei eine Menge interessanter Phänomene
auftreten, weiß jeder, der schon einmal am Strand mit Sand modelliert hat: während trockener Sand leicht durch die Finger rinnt, erhält man eine knetbare Masse, sobald man etwas Wasser zusetzt. Verantwortlich hierfür sind winzige Kapillarbrücken, die sich zwischen jeweils benachbarten Körnern bilden und die diese Kraft der Oberflächenspannung des Wassers zusammenziehen. Wirft man mittels Computertomographie einen Blick ins Innere des feuchten Granulats, so begegnet man einer erstaunlichen Fülle an komplexen flüssigen Gebilden. Trotz dieser Komplexität findet man, zur Freude der Physiker, recht einfache Gesetzmäßigkeiten, die die Eigenschaften der knetbaren Masse bestimmen. Interessanterweise ist z. B. die Menge an zugefügter Flüssigkeit viel weniger wichtig als man zunächst annehmen möchte. Anders ausgedrückt: zum Bau einer Sandburg braucht niemand ein Rezeptbuch, aber man muss genau hinschauen, um zu verstehen, warum das so ist. Anhand einfacher Modellexperimente lassen sich Erkenntnisse gewinnen, die weitreichende Konsequenzen nicht nur für industrielle Prozesse, sondern auch für das Verständnis von Naturphänomenen wie Erdrutschen und Lawinen haben könnten.