BoTaRem

Laufzeit: 01/08/2019 - 31/01/2023
Förderung: Forschungskreis Ernährungsindustrie (FEI) e.v. - AiF 20753 N

Hintergrund:
Die fleischverarbeitende Industrie gehört mit einem Umsatz von 41 Mrd. € zu den umsatzstärksten und wichtigsten Wirtschaftsbereichen der deutschen Lebensmittelindustrie; Schweinefleisch ist einer der wichtigsten Rohstoffe der Branche. Das Inkrafttreten des Verbots der betäubungslosen Ferkelkastration aus Tierschutzgründen stellt einen erheblichen Teil der Produzenten vor die Problematik, wie mit geruchsabweichendem Fleisch umgegangen werden kann. Das Auftreten von ebergeruchbelastetem Schweinefleisch stellt ein erhebliches wirtschaftliches Problem dar, von dem insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) betroffen sind. Darüber hinaus ist auch aus ethischen Gründen eine vollständige und wertschöpfende Verwendung aller geschlachteten Tiere erstrebenswert. Als Schlüsselsubstanzen des Ebergeruchs wurden Skatol und Androstenon identifiziert, die insbesondere im Fett von nicht kastrierten Ebern angereichert sind. Der Geruch dieser Substanzen wird als stall-/fäkalartig bzw. urin-/schweißartig oder blumig-süßlich beschrieben. Aktuell werden in Deutschland drei Alternativverfahren angewandt: Die (Jung-)Ebermast, die Immunokastration und die Kastration unter allgemeiner Betäubung. Studien gehen davon aus, dass alle drei Verfahren mit unterschiedlicher Häufigkeit je nach Region in Deutschland angewandt werden. Dies führt aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem erhöhten Auftreten von ebergeruchbelastetem Fleisch aus der (Jung-)Ebermast; ferner wird sich auch durch Impfversager bei der Immunokastration dieser Anteil erhöhen.

Vor diesem Hintergrund war es Ziel des Forschungsvorhabens, einen neuen Ansatz zu verfolgen: Durch den Einsatz geeigneter Enzymmischungen während der Herstellung von Fleischprodukten sollte es möglich werden, ebergeruchbelastetes Schweinefleisch zur Herstellung von sensorisch akzeptablen Brühwürsten zu verwenden. Es sollen Enzymmischungen aus Speisepilzen (Ständerpilze, Basidiomyceten) gewonnen werden, die die Ebergeruch-Substanzen abbauen.

Ergebnisse:
Im Projekt wurden erste Erfolge in der Anwendung von Enzymen aus Pilzen zur Reduzierung der Gehalte an Ebergeruchssubstanzen (EGS) in wässrigen Lösungen sowie in Emulsionssystemen, wie Fleischbrät, erzielt. Die Bewertung der Enzymwirkung aus Pilzen konnte nur mit Hilfe adäquater, sensitiver Nachweise erfolgen. Hier-
für wurde zunächst eine Methode optimiert, mit der Androstenon und Skatol mittels Aromaanalytik im Rahmen der Versuche mit reinen Pilzkulturen in wässrigen Lösungen erfasst und quantifiziert werden konnten. Eine weitere Methode (GC-MS) für den Nachweis von sechs EGS aus hitzebehandelten, fettreichen Fleischwaren wurde optimiert – hierbei können neben Skatol und Androstenon auch deren Stoffwechselprodukte Indol, 2-Aminoacetophenon, ɑ- und ß-Androstenol quantifiziert werden. Für einen enzymatischen Abbau der EGS wurden 29 Pilze kultiviert und überprüft. Aufbauend auf analytischen und sensorischen Ergebnissen im wässrigen System wurden vier Pilze (Irpex consors (ICO), I. lacteus (ILA), Marasmius cohortalis (MCO) und Trametes hirsuta (THI) als Produktionsorganismen ausgewählt. Daneben wurden vier kommerzielle Enzympräparate von
Laccasen und Peroxidasen untersucht und Ergebnisse für den Abbau von Skatol mit Laccasen im flüssigen Medium gefunden.

Im Rahmen der Verarbeitungsversuche mit Pilzen wurden aktive und inaktivierte Pilzmyzelien sowie deren Kulturüberstände sowohl in wässriger Lösung als auch in fetthaltigem Brät getestet. Im Brät konnten mit MCO und ICO keine signifikanten Reduktionen der EGS beobachtet werden. Zwar wurde für ILA eine vergleichsweise geringere Aktivität zum Abbau von Skatol in wässriger Umgebung ermittelt, jedoch zeigte ILA wiederholt einen signifikanten Abbau von 20-25 % von Skatol in Brät, weshalb Maßstabsvergrößerungen für diese Pilzart durchgeführt wurden. Auch kommerzielle Laccasen und Peroxidasen wurden im Brät getestet, diese zeigten jedoch keinerlei Wirkung. Funktionelle Untersuchungen dieser Enzyme bestätigten die Hypothese, dass das Phasenverhalten – die Enzymaktivität in wässriger Umgebung im Gegensatz zur Aktivität in fettreicher Umgebung –
entscheidend für die Wirkungsweise ist. Da die EGS fettlösliche Substanzen sind und sich vorwiegend (> 90 %) im Fettanteil befinden, ist die positive Wirkung von ILA nach wie vor Bestandteil von Untersuchungen. Weiterführende Versuche sind notwendig, um einerseits die Enzyme und die Ebergeruchssubstanzen über die Pha-
sengrenzen einer Emulsion hinweg besser in räumlichen Kontakt zu bringen und um andererseits die enzymatische Aktivität von hydrophilen Enzymen in einer fetthaltigen Matrix zu stabilisieren. Darüber hinaus ist die Identifizierung und Reinigung der aktiven Enzyme aus dem ILA-Pilzmyzel erstrebenswert. Im Erfolgsfall erlaubt dieses innovative Verfahren die uneingeschränkte Verwendung von vormals geruchsabweichendem Schweinefleisch und damit dessen nachhaltige Verwendung in der Lebensmittelproduktion.

Für die Durchführung sensorischer Untersuchungen wurde ein Prüferpanel auf alle sechs EGS geschult und begleitete die Studien zur EGS-Reduktion mit Hilfe von Pilzen im wässrigen System. Darüber hinaus wurden mit diesem Prüferpanel Interaktionen der EGS untersucht, welche sowohl anhand von Riechstreifen als auch mit Hilfe dotierter Brühwürste durchgeführt wurden. Es zeigte sich, dass neben Skatol auch dessen Abbauprodukt 2‘-Aminoacetophenon wesentlich zur Geruchsbelastung und zur Geschmacksbeeinträchtigung von Fleischprodukten beiträgt. Dieser Effekt konnte in einer umfangreichen Verbraucherstudie bestätigt werden. Dementsprechend sollte in weiteren Untersuchungen auch die Reduzierung der Stoffwechselprodukte von Androstenon und Skatol stärker in den Fokus rücken.

Das IGF-Vorhaben AiF 20753 N der Forschungsvereinigung Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI), Godesberger Allee 125, 53175 Bonn, wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.