Kunstwerk des Monats im August 2014
03. August 2014
"Und wenn du mich so lachen siehst..." Bernard Picarts Bildnis des Lachenden
Vorgestellt von: Antje Habekus
"Und wenn du mich so lachen siehst, dann denkst du zuerst, dass die Verrücktheit mein Begleiter ist [?]." So lautet der Beginn der französischen Inschrift, die sich unter dem Abbild des Lachenden befindet. Mit einer grimassenhaften Verzerrung seines Gesichtes blickt der Rieur dem Betrachter aus einem einfachen, ovalen Medaillon entgegen. Sein breites Zähne zeigendes Grinsen, die zu schmalen Schlitzen verengten und glänzenden Augen und der zum nackten Oberkörper herangezogene Kopf lassen schnell den Eindruck entstehen, es könne sich um einen Verrückten handeln. Doch der zweite Teil der Inschrift widerlegt sogleich dieses voreilige Urteil. Das wilde Lachen des Mannes wird nun durch den Vergleich mit dem antiken Philosophen Demokrit gerechtfertigt, denn dieser "lachte zwar einst in jedem Moment, war aber deswegen nicht weniger weise." Vergleicht man den Abgebildeten mit anderen Demokrit-Darstellungen, so fällt jedoch auf, dass er sich nur schwer in die ikonografische Tradition einordnen lässt, denn ihm fehlen die charakteristischen Attribute und Gesten: eine Weltkugel, der Zeigegestus sowie sein weinendes Pendant Heraklit. Wer also ist hier dargestellt?
Der Lachende ist eines der wenigen - und in Frankreich vermutlich eines der ersten - Mezzotintoblätter des 1673 in Paris geborenen Stechers Bernard Picart. Seine klassische Ausbildung erhielt der in den Niederlanden tätige Künstler durch seinen Vater Etienne, der in Paris als Stecher und Verleger arbeitete und ein Verlagshaus namens "Le Buste de Monseigneur" in der Rue St. Jacques betrieb. Wie die Inschrift belegt, wurde hier das 1698 von Bernard Picart gefertigte Blatt des Lachenden verkauft. Doch das Geschäft des Vaters diente nicht nur seinem Sohn als hilfreiche Institution, sondern hier wurde in selbigem Jahr die "Conférence sur l'expression générale et particulière" von Charles Le Brun veröffentlicht. Die darin abgedruckten 41 Illustrationen stammen aus der Hand Bernard Picarts, der sie nach Vorlagen Le Bruns anfertigte. Bei der "Conférence" handelt sich um einen verschriftlichten Vortrag, den Charles Le Brun an der "Académie Royale de Peinture et de Sculpture" im Jahr 1668 hielt. Darin behandelt der Mitbegründer der Akademie die menschlichen Leidenschaften und wie sie in der Kunst dargestellt werden können, ohne anstößig zu wirken. Zur Veranschaulichung seiner Theorie fügte Le Brun die genannten Illustrationen an, darunter auch die des Lachens, welche dem Rieur Bernard Picarts in erstaunlicher Weise ähnelt und zu der Annahme führt, dass der Lachende Picarts in Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Le Bruns Vortrag über die "allgemeinen und besonderen Ausdrücke" entstanden ist.