Nadelbaum oder Laubbaum?
Den Ginkgo gab es schon vor 250 Millionen Jahren. Die Gattung Ginkgo enthält nur eine einzige Art, den Ginkgo biloba. Die Gattung bezeichnet man daher als monotypisch. Pflanzensystematisch wird diese Gattung in die Klasse Ginkgoatae (Ginkgoartige) der Unterabteilung Gymnospermae (Nacktsamer) eingeordnet. Der Ginkgo stellt damit nicht – wie oft vermutet - eine Übergangsform zwischen Nadel- und Laubbäumen dar, sondern ist eine nacktsamige Pflanze, deren Blätter, Holz, Befruchtungsmechanismus und Samen uns eine Vorstellung von Bau und Lebensweise der Bäume in früheren Stadien der Evolution geben kann (1).
Erscheinungsbild
Der Ginkgo ist ein 30-40 m hoher, sommergrüner Baum mit anfangs kegelförmiger und sparriger, im Alter aber breiter und gedrungener Krone. An Langtrieben sind die Blätter wechselständig, an Kurztrieben in Büscheln angeordnet. Die Blätter sind ledrig, von frischgrüner Farbe und werden in zwei Formen ausgebildet, den Langtrieb- und den Kurztriebblättern: Die Langtriebblätter (siehe Foto links) haben eine keilförmige Blattspreite, 5-7 cm breit, bis 10 cm lang, 2-9 cm lang gestielt, mit sehr unregelmäßigem Rand, der mittig eine Spalte aufweist! Die Kurztriebblätter (siehe Foto rechts) dagegen sind breit fächerförmig (daher auch der Name „Fächerblattbaum“), nahezu ganzrandig, weisen keinen Spalt auf und sind 7-10 cm lang und 6-12 cm breit mit 4-7 cm langem Stiel. Das Besondere an den Blättern des Ginkgo ist, dass sie wie bei anderen Nacktsamern fast parallelnervig sind und nicht netznervig wie die der Bedecktsamer. Damit kann der Ginkgo schon vom Blatt her nicht mit einem Laubbaum verwechselt werden! Ende April beginnt der Austrieb, im Oktober/November zeigt Ginkgo biloba eine leuchtend gelbe Herbstfärbung. Die Borke ist grau, längsrissig und breit gefurcht (1, 2, 3).
Abbildung 2: Borke und Blätter des Ginkgobaumes.
Fortpflanzung
Nach 40 bis 50 Jahren erreicht der Ginkgobaum die Blühreife. Die Blüten sind windblütig, eingeschlechtlich und zweihäusig, d.h. es gibt weibliche und männliche Bäume. Die männlichen Blüten sind kätzchenförmig ausgebildet, überhängend, 3-5 cm lang und sitzen in Gruppen von 3-5 Kätzchen in den Achseln von Niederblättern (= innere Knospenschuppen). Die weiblichen Blüten sind unscheinbar grün, gestielt und 3-5 cm lang. Jeweils 2-3 Blüten sitzen in einer Achsel von Nieder- und Laubblättern. Am oberen Ende der Blüte befinden sich zwei einem Wulst aufsitzende Samenanlagen. Die Samen sind im unreifen Zustand grün und verfärben sich zur Reife orange-gelb. Unter der äußeren fleischigen Schicht der Samenschale befindet sich noch eine verholzte innere Schicht, jedoch kein Steinkern.
Ginkgo biloba blüht im April/Mai, die Samen sind im Oktober/November reif und fallen dann herab. Der Embryo ist jedoch erst 6 bis 8 Wochen danach voll entwickelt. Die herabgefallenen Samen riechen durch die sich zersetzende fleischige Hüllschicht unangenehm ranzig nach Buttersäure.
Bei der Befruchtung werden die männlichen Geschlechtszellen nicht wie sonst bei den höheren Pflanzen durch den Pollenschlauch übertragen, der hier ja als Befestigungselement dient, sondern sie bewegen sich mit Hilfe von Geißeln durch eine Flüssigkeit aktiv zu den sich in der Pollenkammer befindenden weiblichen Geschlechtsorganen (Archegonien) hin. Dieser Befruchtungsmechanismus, der außer bei Ginkgo und Cycas, dem Palmfarn, nur bei Algen, Moosen und Farnen vorkommt, die es schon in frühen Stadien der Evolution gab, weist Ginkgo als besonders altertümliche Pflanze aus (1, 2).
Wurzelsystem und Standortansprüche
Der Ginkgobaum bildet ein kräftiges Herzwurzelsystem mit tiefen Hauptwurzeln aus. An seinem natürlichen Standort steht er auf einem tiefgründigen, nährstoffreichen, sauren bis alkalischen Boden, gedeiht aber aufgrund seiner hohen Standorttoleranz auch auf jedem kultivierten Boden. Schatten kann der Ginkgo jedoch nicht vertragen, was man schon an der vielschichtigen Ausprägung und Anordnung seiner Blätter erkennen kann. Ginkgo biloba bildet niemals Reinbestände, sondern ist in artenreichen Laub- und Nadelmischwäldern z. B. mit Goldlärche, Amberbaum, Magnolien, Nusseibe und immergrünen Eichen vergesellschaftet (1, 2, 4).
Besonderheit Tschitschi-Bildung
An sehr alten Ginkgobäumen ist ein im Pflanzenreich einmaliges Phänomen beobachtet worden: Auf der Unterseite der Äste hat man Anschwellungen beobachtet, die sich später verlängern und gen Boden wachsen, wo die so genannten „Tschitschi-Bildungen“ bewurzeln und auch neue Sprosse bilden. Eine befriedigende Erklärung für diese Besonderheit ist bisher nicht gefunden worden (1).