Seminar: More-than-human Anthropology
Theorie und Methode einer Naturen/Kulturen-Anthropologie und Multispecies-Ethnographie
Seminar & Begleitkurs mit praktischen Forschungsübungen
Wie sind Menschen mit nicht-menschlichen Entitäten – Tieren, Pflanzen, Mikroben, Gesteinen oder virtuellen Welten – verflochten? Und wie lassen sich diese wechselseitigen Beziehungen ethnografisch erforschen?
Dieses Modul führte in Perspektiven einer More-than-Human-Anthropology und Multispecies Ethnography ein – Forschungsansätze, die das Verständnis von Anthropologie über den Menschen hinaus erweitern. Sie untersuchen, wie nicht-menschliche Akteure nicht nur Teil von Ökosystemen, sondern auch von sozialen, politischen und wirtschaftlichen Prozessen sind. Dabei wird das Konzept des „Sozialen“ hinterfragt: Können Pilze, Tiere oder Toxine als Aktanten oder gar als Akteure gelten? Dabei geht es nicht nur um Lebewesen im biologischen Sinne. In vielen indigenen Kosmologien „beseelen“ nicht-menschliche Entitäten - häufig vorgestellt als Schutz-Götter, Geister und Ahnen - die Umwelt. Sie verkörpern ein anderes Verständnis von Natur und Kultur – eines, das die Welt als ein Netzwerk gegenseitiger Beziehungen betrachtet.
Um diese artenübergreifenden Interaktionen mit den sozialen Anliegen einer politischen Ökologie zu verbinden, wurde eine Perspektive diskutiert, die Natur neu einbezieht und den Begriff des Politischen umfassender und transdisziplinärer denkt. Diese Perspektive wird unter dem Begriff der More-than-Human Anthropology bzw. Ethnography zusammengefasst, aus der sich neue Möglichkeiten ergeben, Umwelt- und Machtverhältnisse neu – oder anders – zu beschreiben und kritisch zu hinterfragen.
- Welche Rolle spielen nicht-menschliche Wesen im sozialen, politischen und wirtschaftlichen Leben?
- Können Tiere, Pilze, Geister, virtuelle Entitäten oder sogar Gesteine als (Mit-)Akteure betrachtet werden?
- Was bedeutet es, Anthropologie über das Humane hinaus zu denken?
- Welche Methoden braucht es für eine Ethnographie der Mehr-als-Mensch-Welt?
- Welche neuen Politiken und Erkenntnismöglichkeiten entstehen dadurch?
Anhand von Schlüsseltexten und Fallstudien wurden diese Fragen theoretisch beleuchtet und mit eigenen ethnographischen (epistemographischen) Forschungsübungen verknüpft. Das Ziel war es, ein potentielles und praktikables Forschungsdesign entsprechend den eigenen Forschungsinteressen Schritt für Schritt zu entwickeln.
Im Abschlussplenum wurden Poster mit interaktiven Elementen präsentiert. Einige davon sind hier abrufbar.
Ausgewählte Literatur (u.a.).:
- Anthropology and nature / edited by Kirsten Hastrup Routledge 2013.
- Chakrabarty, Dipesh. 2022. Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter. (Orig. The Climate of History in a Planetary Age).
- Gesing, F., K. Amelang, M. Flitner und M. Knecht. 2019. NaturenKulturen. Denkräume und Werkzeuge für neue politische Ökologien. Bielefeld: transcript Verlag.
- Harvey, Graham (ed). 2013. The Handbook of Contemporary Animism.
- Kirksey, Eben. 2014. The Multispecies Salon. Duke University Press.
- Latimer, Joanna, and Mara Miele. 2013. Naturecultures? Science, affect and the non-human. Theory, Culture & Society 30.7: 5–31.
- Rubber Boots Methods for the Anthropocene: Doing Fieldwork in Multispecies Worlds, edited by Astrid Oberborbeck Andersen, et al., University of Minnesota Press, 2023.
- The Multispecies Salon (https://www.multispecies-salon.org/)
- Willerslev, Rane. 2012. Laughing at the Spirits in North Siberia: Is Animism Being Taken too Seriously?