Enzyklopädie der Wildobst- und seltenen Obstarten
Von HELMUT PIRC
Leinen gebunden, 17,2 × 24,5 cm, 418 Seiten, über 1050 farbige Abbildungen, Leopold Stocker Verlag, Graz 2021, Preis: 39,90 €, ISBN978-3-7020-1935-8
Wildobst ist, vor allem bei jüngeren oftmals ernährungsbewussten Menschen, seit vielen Jahren ein zurecht zunehmend gefragtes Nischenobst. Noch vor 30 Jahren hatten Wildobst und seine Befürworter mitunter noch einen Exotenstatus. Dies hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten grundlegend geänderte. Wildobst oder seltene Obstarten sind heutzutage, im wahrsten Sinne des Wortes, zurecht in aller Munde. Daher ist es nur folgerichtig, dass der Autor, ein ausgewiesener Gehölzexperte und DDG-Ratsmitglied, der Jahrzehnte lang an der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau in Wien Schönbrunn lehrte und arbeitete, sein dort erworbenes umfangreiches Fachwissen unter Zuhilfenahme von zahlreichen weiteren Fachleuten aus Europa und den USA in dem nun vorliegenden Buch zusammenfasste.
Auch wenn der Autor selbst darauf hinweist, dass es sich bei dem Buch nicht um eine Enzyklopädie im streng wissenschaftlichen Sinne handelt, darf sich das eher an der Praxis orientierte Buch zurecht als eine Enzyklopädie der Wildobst- und seltenen Obstarten bezeichnen. Es umfasst potenziell bei uns winterhartes Obst aus 24 Familien, 52 Gattungen mit 193 Arten inklusive einiger Hybriden sowie fast 800 Sorten mit Kurzbeschreibungen. Hinzu kommen weitere Sorten, die aber nur namentlich erwähnt sind, da sie z. B. in den USA oder in Asien zwar eine Bedeutung haben, in Europa aber keine Rolle spielen bzw. nicht zu haben sind.
Der Autor hat, sicherlich selbst für Fachkundige, eine teilweise erstaunliche Sortenvielfalt einiger Wild- und seltener Obstarten wie z. B. von Kiwis, Indianerbananen, Ess-Kastanien, Heidel- und Preiselbeeren, Kakis, Kornelkirschen, Maulbeeren, Feigen, Apfelbeere oder aber Arten und Sorten aus dem Bereich der Ebereschen und Mehlbeeren sowie dem ganzen Kirschen-, Pflaumen-Komplex usw. zusammengetragen.
Etwas ungewöhnlich ist die Anordnung der einzelnen Arten. Sie ist zwar nach der Zugehörigkeit zu den einzelnen botanischen Familien geordnet. Als Familienname steht aber zunächst der deutsche und nicht der botanische Familienname. Die Einhaltung der Reihung nach den Familien wurde auch nicht immer eingehalten. Die am Buchende befindlichen Anacardiaceae gehörten eigentlich hinter die Actinidiaceae. Da die Definition „was ist Wildobst und wo fängt Kulturobst an“ mitunter recht unterschiedlich ausgelegt wird, verweist der Autor auf die fließenden Unterschiede zwischen Wildobst und Kultursorten.
Jede Gattung/Art wird anhand vieler Unterpunkte, jeder für sich kurz und knapp, in der Fülle der Punkte aber recht umfangreich dargestellt. Dazu zählen z. B. der botanische Name, mitunter auch die dazugehörigen Synonyme, deutsche Namen, die typischen Pflanzenmerkmale und die Verbreitung der Art, weiter ihre Eignung als Obstgehölz, eine Beschreibung der Frucht und deren Verwertung.
Die Verwendungs- und Verarbeitungshinweise beruhen zum Großteil auf den Verarbeitungserfahrungen der Frau des Autors und sind sehr hilfreich. Des Weiteren gibt es Hinweise zu den Standortansprüchen und der erforderlichen Gehölzpflege, Informationen zu Krankheiten und Schädlingen, die Vermehrung und Anzucht oder den Anbau. Bei einigen Arten kommen dann noch besondere Informationen über z. B. Inhaltsstoffe, die Blüte usw. hinzu. Die Beschreibung wird durch das oft sehr umfangreiche Sortenverzeichnis mit kurzen Sortenbeschreibungen abgeschlossen. Das reichhaltige Bildmaterial ist von durchgängig guter bis sehr guter Qualität.
Die Literaturhinweise finden sich zum einen direkt am Ende jeder Gattung und nochmals am Buchende als Gesamt-Literaturverzeichnis, getrennt nach Buchtiteln und Internetseiten. Hinzu kommt je ein separates Register der deutschen und botanischen Namen.
Das Buch bietet den wohl derzeit umfangreichsten Überblick der bei uns generell kultivierbaren Wildobst- und seltenen Obstarten. Aufgrund seiner sehr verständlichen Schreibweise und seiner Fülle an Informationen ist es sowohl für interessierte Privatpersonen, aber auch für Fachleute, die Informationen über mögliche neue Kulturarten und -sorten benötigen, oder Personen, die obstbauliche Themen bearbeiten oder Führungen machen, sehr wertvoll.
VOLKER MENG, Hannoversch Münden