Perspektiven für Forschung und Lehre
Lehrende und Lernende haben sich also trotz ihrer jeweiligen möglicherweise kulturgeprägten Erfahrungen und Auffassungen aufeinander zu bewegt und etwas Neues geschaffen. Doch viele Fragen bleiben offen. Welche Vorstellungen von Unterricht haben diese Lernenden am Beginn der Unterrichtseinheit wirklich im Kopf gehabt? Hier sollten in Zukunft Konzepte der kognitiven Linguistik, insbesondere die Frame-Forschung bei der Untersuchung weiterhelfen. Claudia Fraas (2006) hat dazu erst kürzlich interessante Ansätze formuliert.
Und wie läuft der chinesische Seminarbetrieb monokulturell wirklich ab? Stimmt das, was die chinesischen Dozenten in Nanjing von ihrem Unterricht behaupten? Und welche Unterschiede existieren zum deutschen Seminarbetrieb? Auch hier wissen wir wenig. Dafür ist diesen Sommer der Beginn kulturkontrastiver Untersuchungen geplant.
Und zu guter letzt: China ist ein großes Land: 52 verschiedene Volksgruppen, 1,2 Milliarden Menschen, Stadt und Land, Nord und Süd. Differenzen sind vorprogrammiert. Eine Forschung muss – nicht nur im Falle Chinas - diesem Umstand Rechnung tragen. Und darüber hinaus gilt: Auch der Faktor Individualität darf nicht vernachlässigt werden. So wird jüngst auch in der neuen Unterrichtsforschung in Deutschland (Spiegel 2006) gefordert.
Was heißt das für Studiengänge und Unterricht in Deutsch als Fremdsprache? Eine Lehrerausbildung oder Lehrmaterialien, die in Bezug auf die Lehre, den Unterrichtsstil oder etwa Gesprächstypen allzu vorschnell von der Kulturspezifik von Phänomenen ausgeht und von kulturellen Markierungen in der Interaktion spricht, greift zu kurz. Hier gibt es für eine multiperspektivische, differenzierte Forschung noch viel zu tun: theoretisch, empirisch und praktisch.