Die Erforschung der interkulturellen deutsch-chinesischen Wissenschaftskommunikation: Probleme und Perspektiven
Die linguistische Erforschung der Wissenschaftskommunikation geht davon aus, dass sich in einzelnen Gesellschaften spezifische Wissenschaftskulturen herausgebildet haben, die die Ausprägung wissenschaftlicher Texte und Gespräche bestimmen. Insbesondere die kontrastive Fachtextpragmatik und Fachtextlinguistik, aber nicht nur diese, legen davon Zeugnis ab. So wird beispielsweise behauptet, dass in der VR China die konfuzianische Tradition mit ihrer Orientierung auf „Hierarchie und Harmonie“ (wie „Die Zeit“ am 1.3.2007 titelte), die Entwicklung einer eristischen Wissenschaftskultur behindere. Oder ein konkreteres Beispiel: Kontrastive Arbeiten zu deutschen und chinesischen wissenschaftlichen Rezensionen (Liang 1991, 289 – 311) verweisen darauf, dass Kritik in dieser Textsorte – wenn überhaupt – sehr verdeckt formuliert werde. Deshalb enthielten Fachbuchbesprechungen im Chinesischen zahlreiche Höflichkeitsbekundungen bei kritischen Bemerkungen, wie in dem folgenden Beispiel:
„Aber ein Makel trübt den Glanz des Jades nicht. Da der Autor reiche Lehrerfahrungen besitzt und ein hohes wissenschaftliches Niveau zeigt, (...), sind wir davon überzeugt, daß dieses Lehrbuch bestimmt perfekt überarbeitet werden kann.“
Eine spezifische chinesische Wissenschaftskultur also?
Nun ist die Domäne der Wissenschaft, ebenso wie die der Politik, der Wirtschaft, der Medien oder der Kunst global geprägt. Transkulturelle Überschneidungen, Veränderungen durch Mobilität und Austausch in diesen spezifischen Kommunikationsräumen führten und führen zu Veränderungen. Lassen sich entsprechend in der interkulturellen deutsch-chinesischen Wissenschaftskommunikation spezifische, traditionell chinesische Kommunikationsweisen auffinden, oder entstehen hier hybride Formen? Ein Forschungsprojekt zur interkulturellen Seminarkommunikation, das Ende 2006 begonnen wurde, will dieser Frage nachgehen. Im Folgenden soll in Form eines „Werkstattberichts“ ein deutsch-chinesisches Fallbeispiel mit ersten Analyseerkenntnissen vorgestellt werden.